GEPA Kundeninformation zur ARTE-Dokumentation vom 6.8.2013

Kundeninformation ARTE-Dokumentation „Fairer Handel auf dem Prüfstand“ (Erstausstrahlung, 6.8.2013, 21.45 Uhr, Wiederholung 8.8.2013, 8.55 Uhr)

Sehr geehrte Kundinnen und Kunden,

in der ARTE-Dokumentation „Fairer Handel auf dem Prüfstand“ setzt sich der Filmemacher Donatien Lemaitre kritisch mit dem Fairen Handel auseinander. Kernaussage: Fairer Handel hat politisch angefangen und ist mittlerweile zur Marketing- und Profitmasche verkommen – auf Kosten der Menschen im Süden.

Fairer Handel klassisch: GEPA und CIRSA
Es gibt im Film nur einen konkreten Bezug zur GEPA: das Porträt der mexikanischen Kaffeegenossenschaft CIRSA am Anfang der Reportage. Der Film stellt positive Wirkungen des Fairen Handels heraus:

  • Durch die Preisregelungen im Fairen Handel haben die Kleinbauern mehr Planungssicherheit
  • Kleinbauern haben ein um 20 Prozent höheres Einkommen, bekommen zusätzliche Prämien
  • Kleinbauern können ihren Kindern mehr Bildungschancen geben
  • Durch Entwicklungszuschläge werden Gemeinschaftsprojekte (z. B. Küchenneubauten) finanziert

Der Filmautor meint andererseits, Fairer Handel könne Armut nicht beseitigen.

Wir meinen: Verglichen mit unseren hohen europäischen Standards stimmt das, verglichen mit ihren Ausgangsbedingungen haben die Bauern in 20 Jahren Fairer Handel jedoch viel erreicht. Denn die Lebenssituation von Kleinbauern in Chiapas ohne Fairen Handel ist deutlich schlechter. ln Zeiten niedriger Weltmarktpreise wird Fairer Handel oft zur Überlebensfrage. Wir hätten es begrüßt, wenn dieser Unterschied noch deutlicher herausgestellt worden wäre. Auch die Bildungsperspektiven sind aus unserer Sicht ein Beleg für den nachhaltigen Erfolg des Fairen Handels: Ein „einfacher“ Kaffeebauer wie der im Film porträtierte Andres Ruiz Gomez kann drei seiner fünf Kinder zur Universität schicken, keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass im reichen Deutschland laut OECD-Studie nur eine Minderheit von Kindern aus Arbeiterfamilien eine Universität besucht.

Der Film zeigt außerdem: Auch Kinder helfen nach der Schule in der elterlichen Landwirtschaft mit.

Das ist nach den internationalen Standards des Fairen Handels erlaubt; wogegen sich der Faire Handel wendet, ist ausbeuterische Kinderarbeit. Mithilfe im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb ist übrigens auch in Europa üblich. Näheres zur Definition von Kinderarbeit in unserer Stellungnahme unter www.gepa.de

Missstände bei der Bananen- und Teeproduktion: Es geht auch anders
Die im Film gezeigten Missstände bei einer Genossenschaft und Plantagen der Bananen und Teeproduktion kennen wir nicht, da wir nicht mit diesen Partnern handeln. Der Eindruck im Film ist allerdings erschütternd. Die Vorwürfe richten sich gegen Fairtrade International und Rainforest Alliance; deshalb können wir dazu im Detail keine Stellung nehmen.

Wir arbeiten ausschließlich beim Tee mit Plantagen zusammen. Hier haben wir mit dem Teegarten Samabeong unseres Partners Tea Promoters lndia (TPI) in Darjeeling gänzlich andere Erfahrungen gemacht. Die Lebensbedingungen der Teearbeiterinnen haben sich grundlegend verbessert, die Arbeitnehmervertretung entscheidet mit, wofür die Mehrpreise verwendet werden und die Bildungsmöglichkeiten an der weiterführenden Schule sind bemerkenswert. Außerdem beschäftigt TPI eine Frau als Managerin des Teegartens. Sie ist in ganz Darjeeling die einzige Frau in dieser Position.

Es geht um mehr als nur Kontrolle
Der Film stellt am Beispiel von Bananen- und Teeproduktion das Kontrollsystem im Fairen Handel in Frage.

Auch wir stützen uns auf das Kontrollsystem von Fairtrade International – auch wenn die meisten GEPA-Produkte das Siegel nicht mehr tragen. Allerdings ist für uns und unsere Partner das gegenseitige Vertrauen, gewachsen durch langjährige, persönliche Kontakte, mindestens ebenso wichtig. Um eine größtmögliche Sicherheit für alle Handelspartner sicherzustellen, arbeiten wir mit fünf weiteren Monitoring- und Zertifizierungssystemen zusammen, u. a. mit der World Fair Trade Organization (WFTO). Weitere Infos dazu unter folgendem Link: http://www.fairtrade.de/index.php/miD/3.3.3/Ian/de

Reicht das? Wir meinen: Je mehr profitorientierte Großkonzerne in den Fairen Handel einsteigen, um so wichtiger ist es auch, das Geschäftsgebaren der Einkäufer zu kontrollieren und Praktiken anzuprangern, die der Philosophie des Fairen Handels widersprechen.

Supermärkte? Ja, aber mit Wenn und Aber
Ein Vertreter der französischen Fair-Handelsorganisation „Artisans du Monde“ spricht sich im Film gegen fair gehandelte Produkte in Supermarktketten aus. Aus unserer Sicht sind Lebensmittelmärkte als zusätzlicher Absatzkanal für unsere Handelspartner und Kunden mittlerweile unverzichtbar geworden. Für uns stellt sich also die Frage, wie, nicht ob wir mit Supermärkten handeln. Wir lassen uns dabei nicht verbiegen, scheuen uns nicht, Missstände in Wirtschaft, Politik und in internationalen Handelsregeln und -praktiken zu kritisieren. Denn wir möchten ein Höchstmaß an Fairness für unsere Partner im Süden sowie an Qualität für unsere Kunden im Norden gewährleisten.

Margen können wir nicht beeinflussen, denn das Kartellrecht in Deutschland verbietet es, Endverbraucherpreise vorzuschreiben. Einzelhandelsmargen von bis zu 45 Prozent beim Kaffee (wie im Film angegeben) sind uns in Deutschland nicht bekannt. Wir halten daher eine solche Einschätzung für übertrieben.

Chancen, Grenzen und Risiken des Fairen Handels
Eine der Kernfragen des Films lautet: „Kann man so groß werden, ohne seine Werte zu verlieren?“ Diese Frage ist sehr berechtigt. Wer verändert wen? Verändern wir den Handel oder verändert der Handel am Ende uns? Diese Frage diskutieren auch wir Akteure des Fairen Handels immer wieder kontrovers.

Größerer Absatz ist sicher im Interesse der vom Handel Benachteiligten. Konzerne können hier eine Chance bieten. Wir würden uns aber wünschen, dass nicht nur die Produzenten im Süden, sondern auch Händler hier stärkere Auflagen erfüllen müssten, um ihr Unternehmen insgesamt fairer zu machen. Es reicht für uns nicht aus, wenn Unternehmen einzelne Produkte zu fairen Preisen in ihr Sortiment aufnehmen. Nicht nur die Medien und Verbraucherorganisationen werden zunehmend kritischer, auch Verbraucherinnen und Verbraucher können mehr und mehr Einzelmaßnahmen von einer stimmigen, fairen Gesamtstrategie eines Unternehmens unterscheiden. Unsere eigenen Umfragen haben das bestätigt.

Die GEPA steht für eine andere Form des Handel(n)s. Fairen Handel haben unsere Gesellschafter – ausnahmslos kirchliche Entwicklungs- und Nichtregierungsorganisationen – als Unternehmensziel im Gesellschaftervertrag festgeschrieben. Diese sind:

  • Förderung benachteiligter Produzentengruppen
  • Bewusstseinsbildung der Verbraucher durch politische Arbeit (gemeinsam mit Weltläden)
  • Mitwirkung bei strukturellen Veränderungen
  • im Handel

Was unsere Ansprüche an uns selbst, an unsere Handelspartner im Süden sowie unsere Vertriebskunden und Endkunden im Norden angeht, haben wir in den letzten Jahren die Messlatte noch höher gelegt:

  • Wir zahlen z. B. Preise, die teilweise über Fairtrade-Standar
  • ds liegenWir erhöhen den Fair-Handels-Anteil in unseren Mischprodukten
  • Wir legen Wert auf ein Höchstmaß an Transparenz, denn das ist ein Beweis für unsere Glaubwürdigkeit. So geben wir auch Musterkalkulationen von einzelnen Produkten heraus.

Das sind nur einige der Punkte, die wir in unserer „Fair-Pius“-Strategie zusammengefasst haben. Mehr dazu unter http://fair-plus.de

„Wer wird sich durchsetzen: Fairness oder Handel?“ Auf die Frage des Films haben wir eine klare Antwort. Mögen andere den Akzent anders setzen, wir haben nicht aufgegeben, die Welt zu verändern. Das sind wir uns, unseren Gesellschaftern, unseren Handelspartnern und unseren Kunden schuldig.

Es bleibt also noch viel zu tun. Packen wir’s gemeinsam an.

Thomas Speck
Geschäftsführer GEPA- The Fair Trade Company